HERNANDO CALVO OSPINA
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Ein Gespräch mit Sandra Ramírez - FARC-Guerilla

»Der Feind fürchtet uns«

Mittwoch 23. Januar 2013, von Hernando Calvo Ospina

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In der FARC-Guerilla haben Frauen und Männer gleiche Rechte und Pflichten – Kolumbiens Regierungstruppen vergewaltigen und foltern gefangene Genossinnen. Ein Gespräch mit Sandra Ramírez

Interview: Hernando Calvo Ospina*

Am Donnerstag kommen die Unterhändler der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC) und der kolumbianischen Regierung in der kubanischen Hauptstadt Havanna zu ihrer ersten offiziellen Verhandlungsrunde zusammen. Zu der 30köpfigen Delegation der Guerilla gehört auch Sandra Ramírez, die langjährige Lebensgefährtin des 2008 verstorbenen Mitbegründers und obersten Comandante der Guerillaorganisation, Manuel Marulanda. Mit ihr sprach in Havanna für junge Welt der in Frankreich lebende kolumbianische Journalist Hernando Calvo Ospina.

Als ich sie in Havanna treffe, bemerke ich, daß sie nervös ist. Es ist das erste Mal, daß sie einem Journalisten ein Interview gewährt. Sandra Ramírez ist eine von 13 Frauen in der 30köpfigen Gruppe, die in der kubanischen Hauptstadt für die Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC) mit Vertretern der kolumbianischen Regierung über einen möglichen – und langersehnten – Friedensprozeß verhandeln. Sie tritt bescheiden auf, aber mit natürlicher Eleganz. Sandra Ramírez ist die Witwe des legendären Mitbegründers dieser Guerillaorganisation, Manuel Marulanda Vélez, der am 26. März 2008 im Alter von fast 80 Jahren verstorben ist. Auf meine ersten beiden Fragen antwortet sie, als würde sie eine Rede halten. Ich stoppe das Aufnahmegerät und erinnere sie daran, daß ich kein Interview mit ihr führen, sondern mich mit ihr unterhalten möchte. Sie lächelt, richtet ihren Blick auf irgendeinen fernen Punkt und beginnt zu erzählen.

Kampf gegen Machotum

»1981 begannen Guerilleros in die ländliche Region zu kommen, in der ich mit meiner Familie gelebt habe. Mein Vater diente ihnen als Führer, damit sie das Gebiet Region kennenlernten. Mir fiel besonders auf, daß es eine Frau war, die diese Gruppe befehligte. Aufgrund unserer wirtschaftlichen Lage konnte ich nicht weiter auf die Oberschule gehen. Aber da diese Frau für mich ein Vorbild geworden war, habe ich mich kurz darauf entschlossen, mich den FARC anzuschließen.

Dort entdeckte ich, daß es keinen Unterschied zwischen Männern und Frauen gab, wenn sie ins Gefecht gezogen wurden. Und mir fiel auch auf, daß ein regelrechter Kampf gegen das Machotum und für gleiche Rechte und Pflichten von Frauen und Männern geführt wurde. Das war nicht einfach, wenn man berücksichtigt, daß die Mehrheit der Kämpfer in den FARC vom Land stammt, wo das Machotum noch ausgeprägter ist als in der Stadt, wobei die kapitalistische Gesellschaft ohnehin hochgradig machistisch ist. In den FARC haben wir Mechanismen geschaffen, um damit Schluß zu machen, und das ist Teil unserer täglichen Kämpfe an der Seite der Genossen. Denn wir treten für die Gleichheit der Geschlechter und ihr Wohlergehen ein.

Dieser Respekt für die Frauen und die Möglichkeit, uns als Frauen, Kämpferinnen und beruflich zu entwickeln, ist der Grund dafür, daß sich so viele Frauen den Reihen der FARC anschließen. Hier bieten wir ihnen, was die sozialen und ökonomischen Bedingungen des Landes der großen Mehrheit der Bevölkerung und vor allem den Frauen nicht bieten."

* http://www.jungewelt.de/2012/11-14/...

Übersetzung: André Scheer

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